Den Auftakt für diesen Artikel möchte ich dem Mythos der japanischen Sonnengöttin Amaterasu überlassen, den ich in eigenen Worten wiedererzähle:
Amaterasu verschenkt mit ihrem Lächeln großzügig Wärme und Licht und erhält damit die Menschen, Tiere und Pflanzen am Leben.
Immer wieder einmal zog sich Amaterasu zurück in die Höhle des Zorns, und dann wurde gesungen und getanzt, um sie wieder hervorzulocken.
Eines Tages bekam Amaterasu Besuch von ihrem Bruder Susano-o, dem Gott des Sturms, und der brachte enorme Unruhe und Unordnung in ihr Reich. Alles wurde aufgewirbelt, Bäume stürzten um, es war eine wirklich bedrohliche Situation! Als alles Bitten von Amaterasu, innezuhalten mit diesem zerstörerischen Unfug, nichts half, zog sie sich voller Unverständnis und Zorn, Verletzung und Schmerz in ihre Höhle zurück.
Und diesmal schien nichts und niemand sie wieder herauslocken zu können: die wunderbarsten Gesänge erklangen und vor der Höhle versammelten sich die besten Tänzer und Tänzerinnen des Landes, um Amaterasu ihre Kunst darzubieten. Aber die zeigte sich nicht, und die Erde blieb dunkel. Voller Sorge waren inzwischen alle Göttinnen und Götter von fernher angereist, um zu sehen, was zu tun war.
Verschiedenste Versuche, die Neugier von Amaterasu zu wecken, waren bereits fehlgeschlagen. Die Götter waren am Ende ihres Lateins. Da meldete sich auf einmal Uzume, die Schwester von Amaterasu zu Wort. Sie war bekannt für ihre unbändige Lebenslust. Uzume entkleidete sich vor den überraschten Blicken der Anwesenden und begann einen schamlosen, wilden und witzigen Tanz, der die versammelte Götterschaft in lautes und herzhaftes Lachen ausbrechen ließ. Die umliegenden Felsen hallten wider von diesem Gelächter! Und da konnte auch Amaterasu ihre Neugier nicht länger im Zaum halten und erschien langsam im Eingang der Höhle.
Auf diesen Moment hatten alle gewartet und waren gut vorbereitet: Einer der anwesenden Götter hatte einen Spiegel organisiert, und als die Sonnengöttin nun endlich erschien, hielt er ihr diesen Spiegel vor. Das war das erste Mal, daß Amaterasu sich in ihrer Schönheit, Fülle und Strahlkraft sah, und sie war geblendet!
Von diesem Moment an, in dem sie die Schönheit ihrer Seele und gleichzeitig ihre Aufgabe in dieser Welt erkannte, verkroch sich Amaterasu nur noch sehr selten und schenkte den Wesen der Erde ihr Lächeln.
Ihrem Bruder Susano-o, dem Sturmgott, konnte sie verzeihen und erkennen, daß seine Aufgabe eine andere, nicht weniger wichtige war.
Wie in keiner anderen Übergangszeit im Leben einer Frau geraten in den Wechseljahren ihr Körper und ihr gesamtes System außer Rand und Band. Susano-o, der Sturmgott hält Einzug in unserem Reich! Das Chaos äußert sich in plötzlichen Hitzewallungen, Zeiten der Schlaflosigkeit, in Ungeduld und Nervosität, Haarausfall und Gewichtszunahme, schmerzenden Gelenken, tiefer Traurigkeit und dem Gefühl, das Ziel des Lebens nicht erreicht zu haben oder sich nutzlos zu fühlen, jetzt, wo die Kinder aus dem Haus sind! Die monatliche Blutung kommt unregelmäßig, kein Verlaß mehr darauf wie in früheren Jahren oder sie hat sich schon ganz verabschiedet. Manchmal rast das Herz und Angst überfällt sie…
Die Stürme bringen große Unruhe in unser Haus!
Gehört es denn nun zum Wandel dazu, daß wir uns den wilden Unberechenbarkeiten und Rhythmusschwankungen dieser Zeit hingeben? Ich behaupte: ja! Denn auf dem Weg zur weisen Alten gilt es, noch einige Fesseln abzuwerfen, uns zu häuten, um die zu werden, die wir sind: unverfügbar und frei, kraftvoll und mächtig, strahlend und uns selbst unbedingt treu!
Alle großen alten schwarzen Göttinnen mit ihrem Wissen um Werden und Vergehen haben den wilden Aspekt: Freya, die Percht und Baba Yaga, um nur einige zu nennen: sie reiten auf der Sau, haben ein Haus auf Hühnerbeinen, einen Gartenzaun aus leuchtenden Schädeln und rasen mit der wilden Jagd durch die Rauhnächte. Das Alter ver-rückt vermeintliche Wahrheiten, relativiert Wichtigkeiten und dazu verhelfen uns auch die verrückten Wechseljahre.
Hormone? Was wir zu wissen glauben, ist relativ schnell erzählt:
Unser Hormonhaushalt ist bekanntermaßen ein ausgeklügelter Regelkreis zwischen Eierstöcken, Hypophyse und Hypothalamus. Die Eierstöcke haben genug gearbeitet, die Produktion von Östrogenen und Gestagenen läßt allmählich nach.
Meist wird zuerst vermindert Progesteron gebildet, was zu prämenstruellen Symptomen und verkürzten Zyklen, zu längeren und stärkeren Blutungen führt.
Später sinkt auch der Östrogenspiegel , damit kommt es zu Blutungs-unregelmäßigkeiten, längeren Zyklen und einem allmählichen Ausbleiben der Mens.
In Zyklen, in denen kein Eisprung stattfindet, wird kein Progesteron gebildet, Schmierblutungen, unregelmäßige, auch stärkere Blutungen sind die Folge.
Und: Hormone wirken weit über das gesagte hinaus! Ihre Wirkung ist ein Zusammenspiel verschiedenster Faktoren und daher nicht isoliert zu betrachten!
Interessanterweise sind die Beschwerden der Wechseljahre nicht durch Hormonmangel allein zu erklären, die mittlere Hormonkonzentration unterscheidet sich nicht bei Frauen mit oder ohne Beschwerden!
Oftmals gibt es sogar eine erhöhte Östrogenmenge im Blut. Man geht davon aus, daß wohl eher die Schwankungen der Sexualhormone und der Botenstoffe der Hypophyse dafür verantwortlich sind.
Außerdem bringen veränderte Schilddrüsen- und Nebenschilddrüsenhormon-ausschüttungen den Hypothalamus und das vegetative Nervensystem in dieser Zeit aus dem Gleichgewicht. Der Hypothalamus reguliert neben der Produktion der Geschlechtshormone noch viele andere Körperfunktionen wie die Wärmeregulation, Blutdruck, Stoffwechsel, Atmung, Schlaf-Wachrhythmus und die Schweißabsonderung. Dies erklärt zumindest zum Teil, warum viele der bekannten Beschwerden auftreten.
Spätestens seit den Forschungen auf dem Gebiet der Neurophysiologie, allen voran Candace B. Pert mit ihren spektakulären Erkenntnissen wissen wir, daß wir wenig wissen! Daß die Erklärungsversuche der traditionellen Lehre viel zu grob sind! Was in alten Kulturen selbstverständlicher Bestandteil des Wissens um den Menschen war und was in ganzheitlichen Ansätzen schon lange wieder integriert wird, scheint sich nun auch wissenschaftlich belegen zu lassen: Wir sind eine Einheit von Körper, Geist und Seele!
Candace Pert u.a. hat in den 70er und 80er Jahren herausgefunden, daß es in unserem Gehirn und Rückenmark, aber praktisch an jeder Zelle unseres Körpers Rezeptoren gibt, an die sich Botenstoffe andocken und darüber Reaktionen bewirken. So fand sie einen körpereigenen Opiatrezeptor, der uns über Endorphine, die endogenen Morphine in bestimmte Bewußtseinszustände versetzen und sie verändern kann. Diese Botenstoffe sind Hormone und insbesondere Peptide, die sie auch als Moleküle unserer Gefühle bezeichnet. Ende der 90er waren bereits etwa 70 verschiedene Peptide und deren Rezeptoren bekannt. Auch Rezeptoren für Östrogene gibt es praktisch an allen Körperzellen! Mit Hilfe der Peptide werden Gefühle und Körperempfindungen über ein bidirektionales Netzwerk miteinander verflochten und können sich gegenseitig modifizieren!! Gehirn, Drüsen, Immunsystem, ja der gesamte Organismus ist in einem wunderbaren System zusammengeschlossen, das durch die Wirkung unterschiedlicher und spezifischer Botenstoffe koordiniert wird! An bestimmten Knotenpunkten (Synapsen) in Gehirn und Rückenmark werden Informationen gefiltert und nur bestimmte werden an den Cortex weitergeleitet und so nehmen wir auch nur selektiv wahr. Durch bewußte Erweiterung können wir diese Filterfunktionen verändern! Unser gesamtes Regelsystem steht in direktem Zusammenhang mit unseren Gefühlen, und unsere Empfindungen sind durch unser Bewußtsein zu beeinflussen: wir fühlen, was wir fühlen wollen!! Jede Zelle steht über dieses Informationsnetzwerk mit der anderen in Verbindung und reagiert auf Impulse – ein großartiges vibrierendes, sich ständig wandelndes Geschehen!
Diese revolutionierenden Forschungen stellen die alten Paradigmen der Medizin grundsätzlich in Frage und haben daher bis heute nur sehr partiell die Anerkennung in Wissenschaftskreisen gefunden, die sie verdienen! Und sie machen deutlich, daß auch die Betrachtungsweise dessen, was im Klimakterium mit uns geschieht, deutlich erweitert werden muß, um in Ansätzen zu verstehen! Das Buch „Moleküle der Gefühle – Körper, Geist und Emotionen“ von Candace B.Pert liest sich übrigens wie ein Krimi und ist sehr empfehlenswert!!
Zurück zu Amaterasu: gehäutet und um einiges weiser geht sie aus den Stürmen in ihrem Reich und der Innenschau hervor. Um wirklich weise zu werden, sollten wir uns selbst kennen in möglichst vielen Facetten unseres Seins. Es ist Zeit, unsere Strahlkraft im Spiegel zu erkennen! Im Laufe des Lebens häufen wir Gedanken und Gefühle der Begrenzung an. Schuld, Scham, Ärger, Neid, Verurteilung, Angst und Einsamkeit verdrängen allmählich das Licht, mit dem wir geboren werden. Wenn wir zurückkehren zu dem ursprünglichen Zustand und uns erinnern, wer wir sind, können wir wieder etwas von dem eingesperrten Leuchten befreien. Das ist der Weg. Und dazu gehört, das Licht auch in Teile und Aspekte von uns zu schicken, die wir bisher wenig beleuchtet haben. Beleuchten heißt in diesem Fall be-leben. Uns erproben. Ausprobieren. Verändern. Wagen. Das Unbekannte wagen. Die Scham ablegen. Un-verschämt werden. Die vergrabenen Träume wecken und sie dem Licht aussetzen.
Mit dem Wechsel ins Großmutterhaus geht es darum, unser Wissen um die Gesetze des Lebens und Sterbens in die Gesellschaft zu tragen, unerschrocken und machtvoll! Auf diesem Weg müssen wir die Wilde in uns kennen und mitnehmen! Sie hilft uns, zu erinnern, wer wir sind jenseits der Verpflichtungen und Verantwortlichkeiten von Familie und Beruf, jenseits der Normen dieser Gesellschaft! Die Wilde wagt es, sich auszudrücken, sich zu wehren auch auf ungewöhnliche Weise frei nach dem Motto: „Ist der Ruf erst ruiniert, lebt sichs völlig ungeniert!“ Wie Uzume, die Schwester von Amaterasu folgt die Wilde ihrer eigenen Moral, unbändig und frei. Und wie Uzume läßt sie uns auch immer wieder über uns selbst lachen. „Lachen ist die beste Medizin“- diese alte Wahrheit läßt sich inzwischen beweisen: Lachen setzt das Neuropeptid Endorphin frei, besser bekannt als „Glückshormon“ und auch dafür gibt es Rezeptoren an allen Körperzellen!
Was also können wir daraus lernen, daß unser Körper, dieser wunderbare Tempel unserer Seele, von den Stürmen der Wechseljahre heimgesucht wird? Daß nichts mehr so ist, wie es war in den roten Jahren? Wandel ist angesagt. Mal wieder und bestimmt nicht zum letzten Mal, denn Leben ist Veränderung bis zum letzten Atemzug und unser Körper ein vibrierendes Informationsnetzwerk, das immer in Bewegung ist! Vielleicht bedeutet der Wandel in dieser Zeit, nicht mehr zu funktionieren wie gewohnt, sondern den Signalen des Körpers zu folgen, genau hinzuhören. Unberechenbar zu sein. Die Hitze und Schlaflosigkeit der Nacht zu nutzen, um das Blut in Wallung zu bringen. Die Stimmungen schwanken zu lassen und ungeliebten Gefühlen auf die Spur zu kommen und sich immer mal wieder zur Häutung in die Höhle zurückzuziehen. Wie Amaterasu zu erstrahlen in ureigener Kraft und Schönheit! Alles will gelebt sein, um in Weisheit daraus zu schöpfen!
Uns selbst mit Weisheit zu behandeln könnte bedeuten, daß wir das Chaos in uns mit Verständnis und Liebe annehmen. Denn aus der Wasserforschung Masuru Emotos wissen wir, daß geliebtes Wasser wunderschöne Kristalle kreiert. Wasser speichert Information. Wasser ist die Substanz, aus der unsere Körper hauptsächlich bestehen! Wasser ist auch der Trägerstoff für Hormone und andere Körperflüssigkeiten! Geben wir unseren Wassern die Information, geliebt zu sein! Das Chaos ist immer wieder die Ursuppe alles Schöpferischen, die notwendige Voraussetzung, um Neues zu schaffen. Die Weisheit beinhaltet das Wissen darum, daß wir nichts wissen, daß Antworten und Wahrheiten seltener und Fragen häufiger werden. Alles ist möglich. Was für eine spannende Lebenszeit! Lassen wir die alten Amaterasus strahlen, jede auf ihre Art – wild und weise!
Alt sein- was sind die Bilder, die wir dazu in uns tragen? Zu diesem Thema zum Abschluß ein Gedicht mit Bildern von mir – was sind Ihre?
alt sein ist die erlaubnis an die närrin, sein zu dürfen
alt sein ist, den wandel lieben lernen
alt sein ist schönheit in falten
alt sein ist schwach sein dürfen
alt sein ist, die dramen des lebens relativieren
alt sein ist, den körper mit seinen einschränkungen annehmen lernen
alt sein ist, nicht mehr alles allein meistern müssen
alt sein ist, meine meinung sagen mit klarer stimme
alt sein ist, meine meinung nicht sagen mit klarer entschiedenheit
alt sein ist, den anderen raum lassen
alt sein ist, besser auf mich hören
alt sein ist, die kreativität der pausen entdecken
alt sein ist, deutlicher wissen, wer ich bin in meiner fülle und in meinen grenzen